Wie bin ich da bloß hineingerutscht?

Ja, ganz genau. Ich bin bisexuell, ich oute mich jetzt einfach.
Ja, ich stehe dazu. Also, von heute auf Morgen bin ich nun nicht bisexuell
geworden, so viel ist schon mal sicher.
 Es war eher ein langsamer Prozess
in meinem Leben. Ich bin, während ich diese Zeilen 
schreibe, am Überlegen,
wann diese Neigung bei mir wirklich angefangen hat.

Ich denke, es 
hat damit angefangen, als ich im Kinderheim zu meinem
Zimmerpartner ins Bett 
gekrabbelt bin. Gut, da ist nix passiert, sondern wir
beide hatten, weil wir noch recht jung
 waren, eher Heimweh. Uns fehlten die
Eltern, aber das war, glaube ich, der Anfang meiner 
Geschichte.

Jahre zogen ins Land, ohne dass ich jemals weiter einen Gedanken daran
verschwendet hätte – bis zu jenem folgenschweren Tag in meinem Leben.
Damals lebte ich in einem Tagungshaus. Dort wurden die unterschiedlichsten
Seminare abgehalten. Viele Leute bzw.
Gruppen von Menschen gingen dort
ein und aus. An besagtem Tag war wieder eine Gruppe
 dort. Was ich zu dem
Zeitpunkt nicht wusste, war, dass es der Schwulen-Chor Köln war.
 In dem
Tagungshaus gab es verschiedene Duschen. Ich hatte geduscht und die
Dusche war 
kaputtgegangen. Daher bin ich in die Küche gegangen, wo der
gesamte Chor versammelt war.

Ich dachte mir ja nix dabei, als ich nur mit einem Handtuch bekleidet hochging.
Es waren ja alles 
Kerle. Ich muss dazu sagen, ich bin so aufgewachsen, dass ein
Mann ein Mann zu sein hat. Ebenso
 habe ich in den Ferien auf dem Bau gearbeitet
und das sind nun mal Bereiche, wo Männer,
 Männer sind und Schwule einfach nur
Scheiß-Schwuchteln, denen man gehörig auf die Fresse haut.
 Was für falsche
Vorurteile man doch haben kann.

Na ja, ich war also in der Küche zwischen all diesen Schwulen und das nur mit
einem
 Handtuch bekleidet. Ich sagte, dass die Dusche kaputt sei. Worauf einer
aus der Gruppe meinte: „Mann 
bist du schnucklig.“
Ich natürlich: „Hast ein Problem, oder bist du schwul?“
Der gesamte Chor brüllte einstimmig: „Ja, wir sind alle schwul.“
Shit … ich lief rot an und versuchte aus dieser Situation herauszukommen, indem ich
auf 
mein Zimmer ging und den Schlüssel im Schloss mindestens 5 Mal drehte.
Nach diesem 
Vorfall hatte ich jetzt etwas Schiss, muss ich gestehen. Dass mir in der
Nacht, weil ich ja
mit diesen Schwulen alleine war, etwas passieren würde. Ich habe
mir gesagt, dass ich die Nacht
 wach bleiben würde, nur um sicher zugehen. Ich sagte
mir aber auch, wehe einer der Schwuchteln 
kommt und versucht was, den haue ich
weich. So war ich beruhigt und schaute dann TV.

Am späteren Abend klopfte es an der Tür. Ich erschrak. Ich wurde von einem
der Herren eingeladen, mit den Jungs ein Bier zu schlürfen. Okay, dachte ich mir.
Nun hatte ich mal die Gelegenheit, alle meine Fragen beantwortet zu bekommen.
Ehrlich, ich kam mir vor, wie ein 
kleiner dummer Junge und stellte eine Menge
Fragen, die mir der eine oder andere beantwortete.
 Nach und nach leerte sich
der Raum und jeder ist zu Bett gegangen. Ich bin aber noch 
dort geblieben und
sprach mit zwei der Jungs bis 4 Uhr am Morgen.

Ich muss gestehen, nachdem wir echt viele Vorurteile abgebaut hatten und mich
einer gefragt hätte, ob wir ficken … ich
 glaube, ich hätte es just for fun gemacht.
Es kam leider nicht dazu. Seitdem ging mir das nicht mehr aus dem Kopf, aber
ich verdrängte diese Gedanken geschickt.
 Jahre später, als ich Single war,
wollte ich es endlich mit einem Kerl ausprobieren. Es war ein 
ONS und es war
der Hammer.

Seitdem weiß ich, dass ich ab und an auf einen Schwanz stehe
 und ich bisexuell
bin. Also mein Rat an euch ausleben und wie so oft reden und noch mal reden,
das hilft.

In diesem Sinne